Rezension: Schöne neue Welt

"Am anderen Ende des Saales war ein Lautsprecher angebracht. Der BUND ging zu ihm hin und drehte einen Knopf. "-tragen alle Grün", begann eine leise, ungemein klare Stimme mitten im Satz, "und Deltakinder tragen Khaki. Nein ich mag nicht mit Deltakindern spielen."(S.42)




Verlag: Fischer
Preis: 7,90 € (Taschenbuch)
Seiten: 253
 Autor: Aldous Huxley
 Genre: Utopie/Dystopie
 Einzelband





Worum gehts?

Menschen werden nur noch gezüchtet. Stolz ist man darauf, nicht nur ein Kind oder Zwillinge aus einem befruchteten Ei herzustellen, sondern Dutzendlinge. So können gleich bis zu 96 völlig identische Geschwister auf einmal entstehen und zusammen später, nach entsprechender Normung, in einer Fabrik arbeiten. 
Sigmund Marx, ein Mann der höchsten Kaste (Alpha-plus) ist einer von wenigen Bürgern, die überhaupt vom Staat mir der eingeschränkten Fähigkeit zum freien Willen ausgestattet wurden und fühlt sich zunehmend im System unwohl. Sein Leben ändert sich, als er den "Wilden" Michel in die Zivilisation einführt.


Meine Meinung:

Wie bin ich auf das Buch gekommen?
Ich hatte es in der Zeit, wo ich nur noch Dystopien las (26 Werke stehen in meinem Bücherregal^^), auf meinem rebuy-Wunschzettel gepackt und es schließlich kürzlich für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch mitsamt zehn anderen Büchern ergattert.

Erwartungen an das Buch?
Ich erwartete eine beunruhigende Dystopie, befürchtete aber wieder einen Flop, wie bei "Fahrenheit 451", das mich sehr enttäuschte.

Erwartungen erfüllt?
Übertroffen! :D
Huxleys Welt ist beunruhigend, bietet daneben sehr viel Tiefe, Ideenreichtum und zusätzlich noch Humor.

Während andere Jugenddystopien Horrorszenarien durch schockierende Brutalität erschaffen, ist Huxleys Zukunftsvision von einem ruhigen steten Grauen gekennzeichnet, das besonders wirkt, da die Ideen und Welten nicht weit hergeholt sind.

Es gibt mehrere Protagonisten, deren Perspektiven unregelmäßig wechseln und nicht gleichmäßig aufgeteilt sind. Überraschenderweise empfand ich das nicht als störend, sondern unumgänglich, um nicht nur eine eingeschränkte Sichtweise auf diese Utopie/Dystopie zu haben.
Schon bei den Namen bemerkt man Huxleys Schwäche für Anspielungen. Da die deutsche Übersetzung die gesamten Orts- und Personennamen eindeutscht, stimmen sie mit dem englischen Original (Brave New World) nicht überein, beinhalten aber dennoch deutliche Anspielungen: Sigmund Marx, Lenina Braun, Ford etc.

Überhaupt beinhaltet das Werk sehr viele Parodien bzw. satirische Momente, die ich lustig und gleichzeitig erschreckend fand, da die armen, in der "Flasche" (künstliche Brutstätte) entstandenen Menschen, ja gar nicht bzw. nur stark eingeschränkt die Fähigkeit besitzen, über die Dinge zu reflektieren, besonders da jeder eine Art Gehirnwäsche (Normung) siehe obiges Zitat bekommt. Ein Beispiel  dafür ist folgendes Tanzlied, das auf die Entstehung des Menschen in der Flasche anspielt und zu dem sich vierhundert Paare im Saal bewegen:

Von dir mein Fläschchen, träum ich
Tag und Nacht.
Warum hat man dich jemals
Aufgemacht?
Der Himmel war blau,
das Klima so lau,
Ich kenn keinen einzigen Ort,
Der mir besser gefällt
Als du, mein allersüßestes 
Fläschchen der Welt.
(S. 87)

Ich war in solchen grotesken Szenen immer zwischen lachen und entsetzt sein, denn der Umstand, dass sie vom Staat nach deren Wünschen produziert werden, hat natürlich seine negativen Folgen und ist an sich schrecklich.


Oder diese Szene aus der "Eintrachtsandacht":

Ford, wir sind zwölf, o mach uns eins
Wie Tropfen im Gemeinschaftsquell;
Laß laufen uns im Strom des Seins
Schnell wie dein 12-PS-Modell!
(S.91)


Die Geschichte hat mich gepackt, da sie so realistisch geschrieben ist, dass sie fast absurd merkwürdig wirkt. Allein die Sprache! Ständig rezitieren die Protagonisten und Nebenfiguren von den tief im Unterbewusstsein verankerten, tausendfach vom Band abgespulten, Lehrsätzen wie: "Ein Gramm versuchen, ist besser als fluchen!"(S.76 Anspielung auf eine schleichend giftige Glücksdroge) oder "Je bedrückter, je verstockter, desto nötiger der Doktor!"(S. 187)
Obwohl all das sehr eigenartig war, konnte ich mit den Menschen mitfühlen und vergebe für die Protagonisten, die alle echt und nicht plötzlich heldenhaft waren, eine Regalebene.

Die Story hat den Augenmerk, dieses System zu beschreiben. Da ich Zukunftsvisionen äußerst interessant finde, war das genau nach meinem Geschmack. Schon in "Die Auswahl" waren diese Beschreibungen der fremdartigen Welt meine Lieblingsszenen.
Besonders toll fand ich, dass Huxley nicht nur erzählt, welche Kuriositäten es in den verschiedenen Lebensbereichen (Freizeit, Arbeit, Sexualleben etc.) gibt, sondern sie auch richtig zeigt, sodass man diese sich auch lebhaft vorstellen konnte. Für das Setting gibt es deshalb auch herausragende zwei Regalbretter.

Inhaltstechnisch passiert nicht allzu viel, aber was passiert, besonders am Ende, hätte ich so nicht erwartet, glaube aber den tieferen Sinn dahinter zu erahnen und finde es deshalb ziemlich genial. :D
Dennoch hätte man den Plot viel weiter ausführen können und und ich vergebe daher eine solide Regalebene.
Es ist auf jeden Fall nicht der typische "Wir stürzen das System"-Plot.

Wie ich schon angesprochen habe, haben viele Dinge im Buch einen tieferen Sinn, sind geradezu philosophisch, und so etwas liebe ich, denn ich mag es, wenn ein Buch mich nachdenklich macht, ohne dass es mir eine Meinung aufzwingen will. Dafür gibt es einen Zusatzpunkt. Wie man an den vielen Zitaten erkennen kann, liebe ich den Humor in dem Buch, sodass es dafür auch eine zusätzliches Regalbrett gibt.

Fazit
Endlich eine Dystopie, die mich überzeugt hat!
Es gibt ein faszinierende und gleichzeitig verstörendes Zukunftsbild mit realistischen Protagonisten, die nicht plötzlich ein jahrhundertealtes System stürzen können. Zusätzlich bietet "Eine schöne Welt" viele Anregungen zum Nachdenken (z.B. wann sind Menschen glücklich? Ist ständiger Wissenszuwachs für ein Gesellschaft wirklich förderlich? Kritik an der Konsumgesellschaft) und das gewisse Etwas an satirischem Humor.
Summa Summarum vergebe ich für Plot und Protagonisten eine Regalebene. Für das völlig überzeugende Setting zwei und zusätzlich je eine für Humor und eine für die tiefgehenden Gedankenspiele.


Es gibt ein vollständig ausgefülltes Herz! Ein neues Lieblingsbuch für mich, das ich bald nochmal lesen muss, da ich nicht hundertprozentig alle Anspielungen verstanden haben kann, da es einfach viel zu viele sind.


Ohnegleichen


Kennt ihr weitere Dystopien bzw. Utopien die mir gefallen könnten? 

Gelesen habe ich: "Seelen", "Diktatur der Stille", "Hüter der Erinnerung", "Lauf gegen die Dunkelheit", "Bar Code Tattoo", "Fahrenheit 451", "Totentöchter", "Die Bestimmung", "Delirium", "Godspeed", "Starters", "Sternenfeuer", "Dark Canopy", "Worldshaker", "Der Report der Magd", "Zweiunddieselbe", "Der Pakt", "Das neue Buch Genesis", "Skinned", "Die Auswahl und Die Flucht", "Dustlands" und "Girl Parts-Auf Liebe programmiert", "Die Tribute von Panem 1-3".

Als E-Book habe ich gelesen :"The Sign- Nur zu deiner Sicherheit" und "Stadt der verschwundenen Kinder"+"Stadt der verlorenen Träume".


Beitrag von Egoliquida

16 Kommentare:

  1. "Schöne neue Welt" steht hier auch noch bei mir und wartet darauf, gelesen zu werden. Nach deiner Rezension bin ich jetzt noch viel viel neugieriger darauf.
    Zu den Dystopien/Utopien, die dir gefallen könnten... Hmm, hast du die "Hunger Games" schon gelesen? Die stehen da nämlich nicht dabei, aber ich fand sie ziemlich gut :] Ansonsten hat mih auch "Memento" unglaublich fasziniert.

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    1. Oh, die habe ich vergessen, weil sie im Schuber stehen^^
      Kann ich gleich mal verbessern.

      Memento liegt noch auf meinen SuB, habe aber gehört, dass es ziemlich brutal ist und deshalb verstaubt es langsam...

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    2. Ach so, okay :D Ich hatte mich schon gewundert ^^

      Hmm brutal stimmt schon. Aber ich fand es wirklich mal etwas anders, als viele bisher gelesene Dystopien. Allerdings ist das Buch auch ganz klar Geschmackssache.

      Ein Buch, das ich noch nicht gelesen habe, welches aber weit oben auf meiner Wunschliste steht, ist "The Handmaid's Tale" (Der Report der Magd) von Margaret Atwood. Von der Autorin habe ich bereits einen anderen dystopischen Roman gelesen ("Oryx & Crake"), welchen ich ziemlich neuartig, manchmal aber auch etwas zu seltsam fand. Vielleicht wäre das ja was für dich. Oder "1984" von George Orwell.

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    3. "Der Report der Magd" ist einer meiner Lieblingsdystopien, weil ich den Schreibstil von Margaret Atwood wundervoll finde.
      "Oryx und Crake" ist schon auf meinen SuB.

      An "1984" traue ich mich nicht so sehr heran, denn ich habe es mal angelesen und fand die Atmosphäre extrem bedrückend. Das war aber vor dem Dystopietrend.^^

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  2. Ich habe das Buch auch vor kurzem gelesen (allerdings auf Englisch) und mir hat es auch sehr gut gefallen! Einige Anspielungen sind mir aber wohl verloren gegangen, weshalb ich es auf jeden Fall auch noch mal auf deutsch lesen möchte.
    Wirklich eine schöne Rezension über ein tolles Buch!

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    1. Danke, ich bin von dem Buch richtig begeistert und schäme mich fast über meine tausendfach geknickte gebrauchte Ausgabe.:)

      Ich denke, für mich wäre dieses Buch in englisch nur ein halber Genuss geworden. Es ist schon in deutsch immer Konzentration und Mitdenken angesagt.

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  3. In der siebten oder achten Klasse habe ich im Englischunterricht Ausschnitte aus dem Buch gelesen, und wollte es seit dem immer mal lesen. Irgendwie ist das aber untergegangen und inzwischen natürlich auch schon das ein oder andere Jährchen her... Jetzt jabe ich mir den Titel aber gleich auf die Wunschliste gesetzt. Danke fürs Erinnern und deine schöne Rezension :)

    LG
    Jai

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    1. Ja, ich hatte dieses Buch auch ewig im Hinterkopf, aber dieses Klassiker-Image hielt mich immer vom Kauf ab.

      Ich freue mich, dass ich als dein Erinnermich fungieren darf. :D

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    2. Dieses Klassiker-Image ist schon fies. Mich hält das auch bei einigen Büchern vom Kauf ab, obwohl sie bestimmt toll sind.

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  4. Die Rezensionen, in denen man sich aufregt, werden ja irgendwie immer die lustigsten. Das Wort Infodumb werde ich mir merken xD.
    Das Buch klingt ziemlich gut :D. Ich habe noch Girl in the Arena gelesen. Das ist eine Distopie, die viel mit dem Öffentlichkeitsleben zu tun hat. Ich habe zwar keine Rezension dazu geschrieben, fand es aber eigentlich total gut. Ich weiß aber nicht, ob es das auch schon irgendwo auf deutsch gibt.
    Neva ist eine weitere Distopie die ich gut fand, meine Rezension kannst du hier lesen:
    http://fantasybookshelf-buecher.blogspot.de/2011/05/neva-sara-grant.html

    Vielleicht als Tipp: Ich würde mir mal so eine Box in die Sidebar packen damit man deinem Blog auch folgen kann :D...

    LG FantasyBookshelf

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    1. Meine Sidebar kann man mit den oberen Tabs verändern und da ist eigentlich die Follower-Möglichkeit. Konntest du sie nicht erkennen?
      Ich habe das Gadget mal wieder in den Footer verfrachtet, das hatte dort nämlich Macken. :/

      Girl in the Arena schaue ich mir mal an und Neva liegt schon auf meinen SuB. :)

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  5. Was war denn das für ein Vorstellungsgespräch, wo du solche Bücher brauchst?
    1984 kann ich dir sehr ans Herz legen, wenn dir Schöne neue Welt gefallen hat!

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    1. Es war nicht für ein Vorstellungsgespräch, sondern für ein erfolgreiches, sprich ich darf im August anfangen, als Erzieherin zu arbeiten. :D

      1984 leihe ich mir von meinen Freund aus.

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  6. Da ich Dystopien ziemlich über habe, stelle ich jetzt einfach die von mir gelesenen und von dir noch nicht genannten in den Raum. Die haben eigentlich alle so mindestens 4 Sterne abgeräumt, also schlecht fand ich sie auch nicht, auch wenn ich sie grad nocht lesen wollen würde. Am besten schaust dir einfach mal die Bewertungen dazu an.

    "The Giver" (Klassiker), "Birthmarked", "Die Auswahl" (englischen Titel grad nicht parat), "The Glimpse", "Across the Universe".

    Heute geschenkt bekommen habe ich "The Knife Of Never Letting Go".

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    1. Eigentlich kann ich Dystopien auch nicht mehr sehen, aber eher Jugenddystopien mit dem ewig gleichen Plot.^^

      "The Giver" ist "Hüter der Erinnerung", "Die Auswahl" steht in meiner Liste, "Across the Universe" ist "Godpeed" und "Birthmarked" habe ich als E-Book gelesen und werde ich gleich noch einfügen. Da fällt mir ein, dass ich "The Sign" auch noch als E-Book gelesen habe.^^

      Zu "The Glimpse": Ich habe es angefangen zu lesen, aber es packt mich überhaupt nicht. Es macht einfach keinen Spaß dem Mädchen ihre Suche nach einen Typen, den wir in ca. drei Szenen gesehen haben, mitzuverfolgen -.-

      "The Knive Of Never Letting Go" klingt interessant. Danke, dafür! :D

      Ich bessere mal meine Liste aus...

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  7. Sehr sehr schön Rezi :) Das schreibe ich mir gleich mal auf die Wunschliste. :)

    Ich kann die noch " Dark Inside" von Jeyn Roberts empfehlen. Eine wirklich klasse Dystopie :)

    Liebe Grüße ,
    Laura

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