Rezension: Ein reiner Schrei

"Bist du hergekommen, um zu beten?", fragte er und trat einen Schritt vor.
Shell biss sich auf die Lippen. "Beten?", stammelte sie, als wäre das Wort ihr unbekannt.
"Oder vielleicht nur, um vor dem Regen Schutz zu suchen?"
Sie nickte. "Der Regen. Das war der Grund."(S.176)




Verlag: Carlsen
Preis: 15,00 € (gebunden)
Seiten: 317
 Autor: Siobhan Dowd
 Genre:  Jugendbuch
 Einzelband






Worum gehts?

Shell muss in ihrem Leben sehr viel ertragen, seit ihre Mutter gestorben ist. Der Vater ist Alkoholiker, sie muss sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern und ihre Freundschaft zu Pater Rose wird durch den Klatsch der irischen Gemeinde unterbunden. Dann verschwindet ihr Freund Declan nach Amerika und Shell bleibt mit ihren Problemen alleine, die sie schließlich in einen Skandal verwickeln.

Meine Meinung:

Wie bin ich auf das Buch gekommen?

Die Autorin Siobhan Dowd, hatte die Idee zu "Sieben Minuten nach Mitternacht". Das Buch konnte sie aber nicht schreiben, weil sie zuvor starb. Ich fand das von Patrick Ness beendete Buch äußerst gelungen und wollte deshalb weitere Werke von ihr kennenlernen. Zudem sprach mich die Thematik einer überforderten Jugendlichen, die sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern muss, an, da ich diese in Thabita Suzumas Werk "Forbidden" schon sehr interessant fand.

Erwartungen an das Buch?

Ein nachdenkliches Buch über eine Jugendliche, die ihren Geschwistern als Mutterersatz dienen muss.

Erwartungen erfüllt?

Nachdem ich es beendet hatte, war ich schwer enttäuscht und dachte: Na ja, drei Sterne.
Im Nachhinein, ein paar Tage später, mit einer Verdauzeit dazwischen, würde ich dem nicht wieder zustimmen.

Dieses Buch ist keine leichte Kost und leider habe ich es unglücklicherweise in zweieinhalb Stunden, während ich auf meine Nummer im Einwohnermeldeamt wartete, ausgelesen. Es verdient aber eigentlich Ruhe und Bedenkzeit, denn die Geschichte um Shell ist sehr bedrückend.

Entgegen meiner Erwartung ist die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister nicht die größte und hauptsächliche Bürde, die Shell tragen muss. Das machte es mir schwer, mich mit der Geschichte anzufreunden.

Zudem ist Shell nicht nur stark gebeutelt von dem Tod ihrer Mutter, sondern auch naiv und ich persönlich mag naive Charaktere nicht. Dennoch ist sie gut und eindringlich charakterisiert. Leider wird dieser Aspekt durch die Dritte-Person-Perspektive etwas abgeschwächt, da ich mich ihr dadurch nicht nahe genug gefühlt habe.

Am meisten hat mich die geringe Bereitschaft sich ihrer Probleme anzunehmen, aufgeregt. Auch dieser Vater, der nichts auf die Reihe kriegt und dieser Pastor, der zu schwach ist, ihr zu helfen, obwohl er  wenigstens ausspricht, dass man eigentlich etwas hätte tun müssen. Und diese irische Gemeinschaft, wo jeder die Not der Familie sieht und keiner was tut, bis Shell wirklich unglaublich viel aushalten muss. Das ist einfach schrecklich.

Im Gegensatz zu "Sieben Minuten nach Mitternacht", wo der Protagonist sich seinen Ängsten stellt, leidet Shell. Aber ich denke, "Ein reiner Schrei", will auch etwas anderes, als "Sieben Minuten nach Mitternacht". Jetzt denke ich, dass es vielleicht genau das zeigen wollte, dass solche Menschen wie Shell gar nicht in der Lage sind, sich richtig um sich selbst zu kümmern, da sie mit so viel mehr zu kämpfen haben und aus ihrer Einsamkeit nicht die Kraft besitzen auszubrechen. Im ersten Moment nach dem Lesen, hatte ich diese Schlüsse aber noch nicht gezogen und war verwirrt, was das Buch mir nun eigentlich sagen wollte.

Ich habe in meinen Kopf öfters Szenen von diesem Buch und es hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Für dieses Erstlingswerk vergebe ich für Protagonisten, Setting und Plot je eine Regalebene und für die Tiefe noch ein zusätzliches Regalbrett. Daneben betitle ich es nicht als "Unterhaltsam", da dieses Etikett nicht wirklich dieses Buch beschreiben würde.




Interessant





Beitrag von Egoliquida




6 Kommentare:

  1. Ach, dieses Buch... ich war auch wahnsinnig überrascht, wie viel Tiefe es bietet und wie schwierig es ist. Von mir hat es volle Punktzahl bekommen, weil es so authentisch und doch beängstigend war, aber ich kann auch gut verstehen, wenn man anfangs eher verwirrt zurückbleibt und erstmal realisieren muss, was das ganze überhaupt sollte. Aber du hast recht; Zeit muss man sich mit dem Buch wirklich nehmen, weil es sonst wohl nicht richtig wirkt.

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    1. Ich glaube, ich habe mir viel kaputt gemacht, als ich es als Lückenbüßer missbraucht habe...

      Dazu war meine Erwartung, dass es sich nur um die Betreuung und Erziehung der jüngeren Kinder geht, dermaßen stark, dass ich schlecht mit derartigen Problemen umgehen konnte, obwohl das Thema ja sehr interessant ist.

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  2. Hey:) Wundere dich nicht, dass ich noch einmal Leserin auf deinem Blog geworden bin. Bin dir vorher über Twitter gefolgt:)
    Also als Antwort zu deinem Kommentar:Hm ... ich bin kein so ein Mathegenie und habe mir darüber auch ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht. Aber wenn deine Rechnung stimmt,. wäre das allerdings eine sehr hohe Geldsumme ... & ob die überhaupt zu Stande kommen kann ...
    Freut mich natürlich das du dir Gedanken gemacht hast. Gibt mir nun auch zu bedenken.
    Ich bin einfach der Typ Mensch, der anderen vertraut. Und es kam mir wirklich nicht so vor als wäre die Autorin eine Abzockerin oder so :D

    Liebe Grüße <3

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    1. Schau am besten noch mal auf meinem Blog vorbei, die Autorin selbst hat uns geantwortet ;)

      Liebe Grüße <3

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    2. Danke, für die Erinnerung, ich habe gleich geantwortet.

      Ganz liebe Grüße von mir

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  3. Hallo!
    Habe eure Seiten mehr durch Zufall entdeckt. Sie gefallen mir wirklich gut. Die Gestaltung mit den Bäumen und den Büchern - das hat was! Aber auch inhaltlich hat euer Blog wirklich Tiefgang!
    Habe mich als Leserin bei euch eingetragen und würde mich über einen Gegenbesuch sehr freuen!

    LG
    Roxan

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